Öffne LinkedIn. Scrolle 30 Sekunden.
"Ich habe heute etwas Wichtiges gelernt..."
"Vor 5 Jahren wurde ich gefeuert. Heute führe ich..."
"🚀 3 Dinge die erfolgreiche Menschen anders machen..."
Jeder Post klingt wie der andere. KI-generiert, Engagement-optimiert, austauschbar.
Die Frage ist berechtigt: Macht das noch Sinn? Oder ist LinkedIn tot?
Meine Antwort: Die Plattform ist nicht tot. Aber die Art, wie die meisten sie nutzen, ist es.
Das Problem: Der Gleichklang
Was passiert ist:
- LinkedIn wurde zur Business-Plattform #1
- Gurus erklärten "wie der Algorithmus funktioniert"
- Alle optimierten für den Algorithmus
- KI-Tools machten es noch einfacher
- Jetzt sieht alles gleich aus
Die typischen Muster:
- "Hook" am Anfang (unterbrochener Satz, Cliffhanger)
- Kurze Absätze, viel Whitespace
- Persönliche Geschichte (oft übertrieben oder erfunden)
- 3-5 "Learnings" mit Emojis
- Call to Action am Ende ("Stimmt's? Like wenn ja!")
Das Ergebnis: Ein Feed voller Performance-Theater. Menschen posten nicht, weil sie etwas zu sagen haben. Sie posten, weil sie "Reichweite" wollen.
Warum das ein Problem ist
Für Leser:
Der Newsfeed ist nutzlos geworden. Statt interessanter Business-Insights: Endloses Selbstmarketing. Die Reaktion: Weniger Zeit auf LinkedIn, weniger Engagement.
Für Poster:
Die Reichweite sinkt trotz "optimierter" Posts. Weil alle dasselbe machen. Und der Algorithmus bestraft Gleichförmigkeit (irgendwann).
Für die Plattform:
Wenn LinkedIn zu "Business-TikTok" wird, verliert es seinen Differenzierungsfaktor. Warum dort sein, wenn es genauso oberflächlich ist wie überall anders?
Aber: LinkedIn funktioniert noch
Trotz allem. Meiner Erfahrung nach ist LinkedIn weiterhin wertvoll – wenn man es richtig nutzt.
Was weiterhin funktioniert:
1. Echte Expertise zeigen
Nicht "5 Tipps für Erfolg", sondern konkrete Einblicke in deine Arbeit. Was hast du diese Woche gelöst? Was hat dich überrascht? Was würdest du anders machen?
2. Kontrarian sein (wenn ehrlich)
Die meisten Posts bestätigen Konsens. Wer gegen den Strom schwimmt – mit echten Argumenten – fällt auf. "Alle sagen X, aber meiner Erfahrung nach stimmt das nicht" ist interessanter als "X ist wichtig, weil X wichtig ist".
3. Langform nutzen
Die meisten Posts sind kurz (für Mobile). Ausführliche Analysen stechen heraus. Der LinkedIn-Newsletter ist unterschätzt.
4. Kommentare statt Posts
Oft effektiver als eigene Posts: Qualitativ hochwertige Kommentare unter relevanten Diskussionen. Sie erreichen das Netzwerk anderer, ohne selbst Content produzieren zu müssen.
5. Direktnachrichten richtig nutzen
LinkedIn ist primär ein Netzwerk-Tool. Die Posts sind nur die Oberfläche. Die echten Verbindungen entstehen in Direktnachrichten – wenn sie nicht spammy sind.
Die KI-Post-Epidemie
Klar müssen wir darüber reden: Viele Posts sind heute KI-generiert.
Das Problem ist nicht die KI. Das Problem ist, dass KI durchschnittlichen Output produziert. Wenn Sie ChatGPT bitten, einen LinkedIn-Post zu schreiben, bekommen Sie einen durchschnittlichen LinkedIn-Post. Grammatisch korrekt, inhaltlich hohl.
Warum das auffällt:
- Gleiche Formulierungen ("In einer Welt, in der...")
- Gleiche Struktur
- Keine echten Geschichten, nur generische Beispiele
- Emotionen ohne Substanz
Was Sie stattdessen tun können:
- KI für Brainstorming, nicht für finale Texte
- Eigene Geschichten und Beispiele einbauen
- Meinungen haben (KI hat keine)
- Erste-Person-Perspektive mit echten Details
Nach unserer Erfahrung ist ein unbeholfen geschriebener, aber ehrlicher Post wertvoller als ein glatt formulierter, aber generischer.
Konkrete Strategie für 2025
Wenn du LinkedIn sinnvoll nutzen willst:
1. Frequenz reduzieren, Qualität erhöhen
Lieber ein Post pro Woche mit echter Substanz als täglich "Content" ohne Mehrwert. Der Algorithmus belohnt Engagement, nicht Menge.
2. Nische finden
"Marketing-Tipps" ist zu breit. "Marketing für Medizinprodukte-Hersteller" ist spezifisch genug, um als Experte wahrgenommen zu werden.
3. Konversation statt Broadcast
Posts sind keine Pressemitteilungen. Stell Fragen, reagiere auf Kommentare, führe Diskussionen.
4. LinkedIn als Teil, nicht als Ganzes
LinkedIn ist ein Kanal. Nicht die einzige Strategie. Kombiniere es mit Website-Content, SEO, anderen Netzwerken.
5. ROI messen
Verbindungen sind nett. Aber: Führt deine LinkedIn-Aktivität zu Anfragen? Zu Gesprächen? Zu Geschäft? Wenn nicht, warum machst du es?
Mehr zur Frage, welcher Kanal für dich Sinn macht, im Artikel Social Media Werbung: Welche Plattform passt?
Wann LinkedIn keinen Sinn macht
Ehrliche Einschätzung:
Weniger geeignet für:
- B2C (Konsumenten sind kaum auf LinkedIn)
- Lokale Dienstleister mit kleinem Einzugsgebiet
- Branchen ohne LinkedIn-Affinität
- Wenn du nichts zu sagen hast (wirklich)
Gut geeignet für:
- B2B Services und Produkte
- Recruiting
- Personal Branding für Experten
- Networking in bestimmten Branchen
- Thought Leadership aufbauen
Die Frage ist nicht "Ist LinkedIn gut oder schlecht?" Die Frage ist: "Ist LinkedIn gut für mein spezifisches Ziel?"
Häufige Fragen
Für Ideen und Struktur: Ja. Für den finalen Text: Nur als Basis, dann stark überarbeiten. Oder: KI für die Recherche, nicht für das Schreiben.
Qualität > Quantität. 1-3x pro Woche mit Substanz ist besser als täglich mit Füllmaterial. Testen Sie, was bei Ihrer Zielgruppe funktioniert.
Für B2B: Ja, aber teuer. Die Targeting-Möglichkeiten (nach Position, Unternehmensgröße, Branche) sind unschlagbar. Aber die Klickpreise auch. Rechnen Sie genau nach, ob sich das lohnt. Details im Artikel Marketing-Budget planen.
Kommt auf deinen Use Case an. Für gelegentliches Networking: Nein. Für aktives Prospecting: Kann sich lohnen. Teste erstmal kostenlos, upgrade wenn du an Grenzen stößt.
Akzeptiere, dass das dazugehört. Filter nutzen. Knappe Absagen statt keine Antwort. Und: Selbst keine Spam-Nachrichten schreiben – das prägt den Ruf.
Weiterführende Ressourcen
- Social Media Werbung: Welche Plattform passt?
- Marketing-Budget planen – Für LinkedIn Ads
- Execution – Social Media als Teil unserer Leistung